Balmog - Laio
Band: Balmog (ESP)
Genre: Black Metal
Label: War Anthem Records
Album Titel: Laio
Spielzeit: 39:26
VÖ: 23.05.2025

Balmog aus Galicien haben sich in den letzten Jahren einen festen Platz
in der europäischen Black-Metal-Landschaft erspielt; mit kompromisslosen
Alben, die rohe Energie mit tiefschwarzer Atmosphäre und experimentellen
Strukturen verbinden. Seit ihren frühen Tagen, als noch die Raserei im
Vordergrund stand, hat sich die Band kontinuierlich weiterentwickelt und
spätestens mit dem 2021 erschienenen "EVE" bewiesen, dass sie nicht nur
den Geist des Black Metal atmen, sondern auch bereit sind, dessen Grenzen
auszuloten.
Mit "Laio", ihrem mittlerweile fünften Studioalbum, erhebt
sich Balmog nun zu einem neuen künstlerischen Höhepunkt. Der Titel "Laio"
bedeutet im Galizischen so viel wie Klagelied und ist programmatisch.
Dieses Album ist ein Aufschrei, ein Ausdruck tiefster Emotionalität und
Rebellion. Laut Band und Label ist "Laio" das bislang ausgereifteste Werk
der Galicier; spontan und viszeral in seiner Entstehung, aber zugleich
getragen von der Erfahrung und dem Instinkt jahrelanger künstlerischer
Entwicklung. Man spürt das pochende Herz, das Blut spuckt; ein Schrei aus
dem Innersten der Seele. Klanglich vereint das Werk die rohe
Unmittelbarkeit früher Alben mit der Eigenständigkeit und
Vielschichtigkeit von "EVE".
Konzeptionell kreist "Laio" um das
Spannungsfeld zwischen Erdverbundenheit und metaphysischem Aufbegehren; um
die Entscheidung, entweder ein geformtes Stück Lehm zu bleiben oder wie
eine sterbende Sonne in Flammen aufzugehen. Es ist ein Ruf nach
Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, ein Widerstand gegen göttliche
Ordnung und manipulative Heilsversprechen.
Musikalisch spannt "Laio"
den Bogen weit: Zwischen Pink Floyd, Ved Buens Ende, Bathory und Mayhem
bewegt sich ein Sound, der tief in der DNA von Black Metal verwurzelt ist,
aber den Geist von Rock, psychedelischem Wagemut und avantgardistischer
Unruhe in sich trägt. Und doch trägt jeder Moment die unverkennbare
Signatur von Balmog, in Feuer gebrannt.
"Laio" ist kein Album, das
sich in einfachen Genre-Formeln fassen lässt. Zwar schlägt das Herz von
Balmog unverkennbar im Takt des Black Metal, doch die Art und Weise, wie
diese Band ihren Sound konstruiert, ist weit mehr als bloße Tradition.
Vielmehr handelt es sich um einen schöpferischen Kraftakt, bei dem
Elemente aus Psychedelic Rock, düsterem Post-Punk, klassischem Heavy Metal
und Avantgarde aufeinandertreffen und unter dem schwarzen Banner des
Extreme Metal verschmelzen.
Das Album lebt von Kontrasten und Brüchen:
Rohe Aggression trifft auf meditative Passagen, dissonante Gitarrenläufe
fließen in melodische Motive über und das Schlagzeug pendelt zwischen
kontrollierter Ekstase und "Trance-likem" Minimalismus. Die Produktion
bleibt dabei angenehm erdig und ungeschliffen; ein Sound, der nicht
überproduziert wirkt, sondern vielmehr das Gefühl vermittelt, einem
uralten, rituellen Vorgang beizuwohnen.
Besonders markant ist die
Gitarrenarbeit, die sich oft jenseits klassischer Black-Metal-Strukturen
bewegt. Disharmonien und flirrende Leads tauchen auf wie Visionen im
Nebel, mal schneidend, mal elegisch, fast schon schamanisch. In manchen
Momenten scheinen die Songs sich selbst aufzulösen, nur um im nächsten
Moment mit eruptiver Gewalt zurückzukehren. Auch der Gesang fügt sich
hervorragend in dieses Klangbild ein: kein rein aggressives Fauchen,
sondern ein vielschichtiges Ausdrucksspektrum, das zwischen Wahnsinn,
Schmerz und entschlossener Klarheit changiert. Es ist weniger ein
Frontmann, mehr ein Medium; ein Sprachrohr für das, was "Laio" emotional
transportiert. In seiner Gesamtheit wirkt das Album wie ein düsterer
Fluss, der sich durch unwegsames Gelände windet: unvorhersehbar,
tiefgründig und von einer rohen, beinahe rituellen Energie durchzogen.
"Laio" ist ein Werk, das fordert, aber auch belohnt, wenn man sich auf
seine unkonventionellen Wege einlässt.
"Like God Who Knows", als
vierter Titel auf dem Album platziert, markiert einen Wendepunkt in der
Dramaturgie von "Laio". Der Song wirkt wie ein finsteres Zentrum, um das
sich vieles dreht; schwer, aufgeladen mit existenzieller Schwere und doch
durchzogen von einer fast greifbaren inneren Glut. Die Gitarren peitschen
in rituellen Zyklen, während das Schlagzeug wie ein Herzschlag unter
Schmerzen pulsiert. Hier verdichten sich die zentralen Themen des Albums:
das Wissen um die eigene Schöpfungskraft und das fluchhafte, das dieser
göttlichen Ambition innewohnt. Der Titel suggeriert Allwissenheit, aber
Balmog zeigen uns, dass dieser Blick hinter den Vorhang eher Flammen als
Erlösung offenbart.
"Getsemaní" hingegen verweist unmissverständlich
auf den biblischen Garten, jenen Ort tiefster innerer Zerrissenheit vor
dem Verrat und Balmog gelingt es, diesen existenziellen Ausnahmezustand
musikalisch in ein beklemmendes Ritual zu gießen. Der Song arbeitet stark
mit Atmosphäre, beginnt beinahe zurückhaltend, schwelend, wie das leise
Atmen vor dem Sturm. Doch unter der Oberfläche brodelt es: Schicht um
Schicht bauen sich Spannung und Dunkelheit auf, bis sich das Stück in
einer Welle aus Verzweiflung und kathartischer Gewalt entlädt. Beide
Stücke stehen exemplarisch für die Kraft von "Laio". Sie zeigen, wie
Balmog Emotion, Spiritualität und klangliche Härte in ein ebenso
durchdachtes wie aufwühlendes Ganzes gießen; mit künstlerischer Reife,
aber ohne an Dringlichkeit zu verlieren.
Fazit:
Mit "Laio"
liefern Balmog ein Werk ab, das tief unter die Haut geht. Es ist mehr als
nur ein weiteres Black-Metal-Album; es ist ein Bekenntnis, eine rituelle
Klangbeschwörung, eine Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen, die
jenseits von Genregrenzen stehen. Die Band verbindet rohe, emotionale
Wucht mit einer bemerkenswerten Reife in Komposition und Atmosphäre.
"Laio" ist gleichermaßen kantig wie durchdacht, spirituell wie
nihilistisch, bodenständig wie kosmisch; ein Album voller Reibung, aber
gerade daraus entsteht seine gewaltige Kraft. Balmog zeigen, dass sie den
Black Metal nicht nur als musikalisches Ausdrucksmittel begreifen, sondern
als ganzheitliches künstlerisches Konzept. Wer bereit ist, sich auf diesen
dunklen und vielschichtigen Pfad einzulassen, wird mit einem Album
belohnt, das lange nachwirkt; wie ein Fluch, der langsam unter die Haut
kriecht, oder ein Feuer, das im Verborgenen weiter glimmt.
Punkte:
9/10
Anspieltipp: Tongue in Pieces, Like God Who Knows, Getsemaní
01. Falling
02. Mud to Gold
03. Tongue in Pieces
04. Like God
Who Knows
05. Ortus Umbra
06. Mashalam
07. The Silence of the
Trumpets
08. Getsemaní
Balc - Vocals, Guitars, Keyboards
Morg - Bass
Virus - Drums
- Download Review in deutsch
- Bandcamp
Autor: Ben