Karg - Resignation
Band: Karg (A)
Genre: Post Black Metal
Label: AOP Records
Album
Titel: Resignation
Spielzeit: 53:13
VÖ: 25.11.2022

Wenn Karg ein neues Album verkündet, dann lässt das ja schon
grundsätzlich mein schwarzes Herz höher schlagen. Und wenn dann
J.J., der Kopf des Projektes (der unter anderem auch bei Harakiri
For The Sky und Seagrave als Frontmann fungiert) verkündet, er habe
sich für einige Zeit in einer Hütte im Wald eingeschlossen und von
der Misere der restlichen Welt abgeschottet, um das 8. Studioalbum
seines Soloprojektes (und ganz nebenbei auch ein Buch) zu schreiben,
klingt das nicht nur absolut trve, sondern auch unglaublich
vielversprechend. Auf Social Media hat er bereits angekündigt, dass
dieses Album auch experimenteller werden soll als seine Vorgänger
und schon der Blick auf den Beipackzettel (Violine, Trompete,
Flügelhorn und Glockenspiel? Und dann noch Private Paul als
Gast-"Sänger"?) verrät, dass er auch hier nicht zu viel versprochen
hat.
Zu Beginn gibt es allerdings noch keine Experimente. Der
Opener "Was Bleibt" beginnt ganz Karg-typisch mit cleanen
Delay-Gitarren, zu denen sich nach und nach fette Drums, satte
E-Gitarren, verträumte Melodien und der charismatische Gesang von
J.J. mischen. Allgemein kommt hier der Sound jedoch schon etwas
ruppiger daher als beim Vorgängeralbum "Traktat". Allerdings wird
insgesamt eine resignierende Atmosphäre ausgestrahlt, die spätestens
beim clean gesungenen Schlusspart des Songs ein Gefühl der Heimkunft
vermittelt (auch wenn die Melodie sehr stark an die Titelmelodie von
"Wetten dass…?" erinnert). Beim darauffolgenden, selbst für
Karg-Verhältnisse extrem düsteren, "Ebbe//Flut" ist dann jedoch erst
mal Schluss mit wohligem Zu-Hause-Gefühl. Schroffe Riffs,
zerklüftete Rhythmen, melancholische Spoken-Parts und
herzzerreißendes Geschrei lassen die Gänsehaut fast nicht mehr
abklingen.
Bei "Grab Der Wellen" wird dann erstmals das
Glockenspiel in den Vordergrund gerückt und so die experimentellere
zweite Albumhälfte eingeleitet. Es klingt zwar zunächst irgendwie
wie ein Fremdkörper, der jedoch auf der anderen Seite wieder in das
Gesamtkonzept passt. Richtig experimentell wird es dann allerdings
mit "Generation Ohne Abschied", wo Private Paul, ein - nicht
erschrecken - Rapper aus Hamburg, eine nicht unwesentliche Rolle
spielt. Bei diesem Song kredenzt er nicht nur seinen Sprechgesang,
sondern ist in diesem Part auch noch für die Lyrics verantwortlich.
Ich muss gestehen, dass ich beim ersten Durchhören so schockiert
war, dass ich es nicht für gut heißen konnte, jedoch hat sich mir
das Konzept mit jedem Durchlauf mehr erschlossen, sodass sich dieser
Song zu einem meiner absoluten Karg-Lieblingssongs entwickelt hat.
Der Text ist extrem gefühlvoll - Private Paul demonstriert
eindrucksvoll, dass er dem lyrischen Genie von J.J. in keinster
Weise nachsteht und es durchaus versteht, auch den harten Klängen
wundervolle Worte beizusteuern. Bei all dem Trubel um Sprechgesang
in einem Black Metal Track soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass
sowohl spielerisch, wie auch vom Arrangement her, unglaublich schöne
Trompeten-, Flügelhorn- und natürlich auch Glockenspiel-Passagen in
diesem Track verbaut wurden.
Nach ungefähr einer
Dreiviertelstunde ist dann auch dieses, für Karg ungewöhnlich kurze,
Album schon wieder vorbei und lässt den Hörer in einer
melancholischen Stimmung zurück, in der noch die außergewöhnlichen
Arrangements, die grandiose Leistung aller beteiligten Musiker, die
wieder einmal perfekte Auswahl der Gastsänger, sowie die
herausragende Produktion der Scheibe im Ohr nachhallen. Der einzige
Kritikpunkt, den man "Resilienz" ankreiden muss, ist die teilweise
etwas überladene Soundwand. Ein etwas kälterer Sound wäre eventuell
an der einen oder anderen Stelle etwas zweckdienlicher gewesen. Das
jedoch ist Jammern auf allerhöchstem Niveau, zumal man nicht
vergessen darf, dass "Resilienz" noch mit zwei Bonustracks (einem
The Cranberries-Cover sowie einem Nothing-Cover) daherkommt, die
jede Kritik wieder vergessen machen. Diese Coversongs sind nicht nur
stilistisch "verkargt", sondern auch vom Englischen ins
Österreichische übersetzt worden.
Fazit:
Was für ein
geiles Album! In diesem Jahr durfte ich schon einige
schwarzmetallische Jahreshighlights reviewen, aber diese Scheibe hat
definitiv alle Erwartungen gesprengt. Zwar kommt sie nicht ganz an
das Opus Magnum "Dornenvögel" von 2018 heran, jedoch ist sie
verdammt nah dran und wird bei jedem Durchhören noch besser. J.J.
liefert wieder einmal ein Album, das so vielschichtig ist, dass es
sich gar nicht in Worte fassen lässt und den Rahmen jeder Review
maßlos sprengen würde.
Punkte: 9,5/10
Anspieltipp:
Alles
01. Was Bleibt
02. Ebbe//Flut
03. Grab Der Wellen
04.
Generation Ohne Abschied
05. Einen Traum Weiter Dort Fangen Wir
Das Licht (The Cranberries Cover - Bonus Track)
06. Fieberherz
(Nothing Cover - Bonus Track)
J.J. - Vocals, Bass, Glockenspiel
Daniel Lang - Guitars,
Vocals
Chris Purch - Guitars, Vocals
Georg Traschwandtner -
Guitars
P.F. - Drums
Guest Musicians
P.G. (Groza) -
Vocals (Grab Der Wellen)
T.L. (Lûs, Auszaat) - Vocals (Generation
Ohne Abschied)
S.M. (E-L-R) - Vocals (Ebbe//Flut)
I.R. (E-L-R)
- Vocals (Ebbe//Flut)
Private Paul - Vocals (Generation Ohne
Abschied)
Klara Bachmair (Firtan) - Violin (Was Bleibt, Grab Der
Wellen)
Christoph Höhl - Trumpet, Flugelhorn (Generation Ohne
Abschied)
- Download Review in deutsch
Autor: Sepp