Nachbericht Rock Harz Open Air 2014 von Eth

Zwar feiert das RockHarz in diesem Jahr kein Jubiläum, kann sich aber auch ohne spezielles 20-Jahre-Lineup eine dicke Latte an Bands auf die Fahne schreiben. Zum 21. Mal fand das RockHarz Open Air in diesem Jahr statt, das sechste Mal davon zu Fuße der imposant über das Gelände wachenden Teufelsmauer. 12000 Leute, 46 Bands auf zwei Bühnen. Zusätzlich ein grandios bestückter Warm-Up-Day auf einer in diesem Jahr zum zweiten Mal speziell aufgebauten Zusatzbühne, deren Vorprogramm von Rhapsody of Fire gekrönt wurde.

Wie laut Wetterbericht zu erwarten, war der Anreise-Mittwoch eher verregnet. Der lehmige Boden am Asmusstedter Verkehrsflughafen wurde so manch einem Auto zum Verhängnis. Bereits hier macht man jedoch Bekanntschaft mit der familiären Atmosphäre auf dem RockHarz. Sofort stehen fünf langhaarige und mit Methorn bewaffnete Recken bereit, um das festgefahrene Gefährt aus den Schlamm-Massen zu befreien. Gleich zweimal erwischt uns der Lehm, bis wir zum Rest der Metal Only Familie stoßen, die bereits einige Stunden zuvor auf dem Campingplatz aufgeschlagen war. Und es sollten bis zum nächsten Tag auch noch einige mehr werden. Flugs Zelt und Pavillon aufgebaut, natürlich unterstützt durch den ersten Festival-Hopfentee. Weil unser Zeltplatz akustisch optimal lag, lockte uns erst der Headliner am Anreisetag vor die Bühne. Rhapsody of Fire, einst ganz groß, müssen sich heutzutage mit der kleinen Devils Wall Stage zufrieden geben. Dennoch liefern die Italiener eine grandiose Power-Show und nutzen den seit dem Vorjahr optimierten Klang auf dem Infield optimal aus, was man anhand der sich zwischen Bühne und Bierausschank drängenden Metaller-Massen auch sehr gut erkennen kann. Danach heißt es für uns bereits relativ früh „Ab in die Falle“, denn es lagen ja noch drei anstrengende Festival-Tage vor uns.

Unerwartet früh ist die Nacht bereits gegen 6:30 Uhr zu Ende, da der Innenraum unseres Zeltes jetzt schon einem Backofen gleicht. Entgegen sämtlicher Wetterberichte ist es sonnig, sehr sonnig. Wir lassen den Tag langsam angehen, zumal die erste Band des Tages erst ab 14 Uhr das Infield beschallen soll. Zum Frühstück gibt es frisch gebrühten Kaffee und Rührei. Gegen kurz vor 14 Uhr brechen wir auf um die Klänge der Heavy Metaller von „Battle Beast“ einzufangen. Die fünf Jungs und ihre Frontröhre Noora Louhimo rotzen dabei ein wahres Brett in die Menge, und machen schon fast Doro Konkurrenz. Nach einigem Durcheinander durch geänderte Spielzeiten fanden wir uns etwas später am Tag zur Mittelalter-Metal-Kombo Vogelfrey erneut vor der Bühne wieder. Viel Neues gibt es hier leider nicht zu berichten. Die Hamburger haben sichtlich Spaß daran, nach drei Jahren wieder einmal auf dem RockHarz spielen zu dürfen, und halten das Publikum gut in Schach. Leider waren die Streicher hier etwas zu leise, von der Tonqualität ist also noch Platz nach oben. Als Sänger Jannik zum Intro von Feenfleisch seiner Barbie-Fee den Kopf abbiss, spritzte ihm etwas Kunstblut ins Auge. Wir hoffen, dass das nicht zu schmerzhaft und unangenehm war. Mit Melo-Death aus Finnland geht es direkt im Anschluss auf der Dark Stage weiter. Insomnium sollen hier ein geiles Brett hinlegen, wirken aber in ihrer Show eher eintönig. Der Sound allgemein und insbesondere die Clean-Vocals sind zwar typisch für die Band sehr geil, dennoch will das helle Tageslicht die melancholischen Gitarrenriffs nicht so ganz transportieren, schade. In diesem Jahr gibt es zumindest am Donnerstag viel finnisches Material zu bestaunen. So sind direkt im Anschluss Amorphis dran, die natürlich viel durch neueres Material auftrumpfen, das ja eher in der Melo-Death Ecke angesiedelt ist. Allerdings streuen sie auch ein oder zwei Songs aus ihrer Black-Metal Phase ein. Gerade die Clean-Vocals von Frontmann Tomi Joutsen sind live deutlich besser als auf CD, und lassen Gänsehaut-Feeling aufkommen. Wir hätten gern mehr davon, aber beim nächsten Mal bitte zu späterer Uhrzeit mit etwas mehr Dunkelheit. Wir sind wieder im Mittelalter, zumindest musikalisch. Häufig sind Saltatio Mortis ja eher für ihre Mittelalter-Shows bekannt, die sie in leicht anderer Formation spielen, können Sie auch anders. Auf dem RockHarz geht es rockig zur Sache, allerdings auch nicht gerade abwechslungsreich. Besonders die Gitarrenstimmen sind bei SaMo eher langweilig gestaltet, und die Musik wird primär durch Sackpfeifen getragen. Was fehlt? Genau, Pyrotechnik. Gerade diese macht die Headliner-Shows der Mannheimer auf dem MPS immer zu etwas Besonderem. Langweilig geht’s bei Sabaton weiter. Wären die Keyboards nicht, könnte man bei den Schweden glatt meinen, dass sie anderthalb Stunden am Stück denselben Song spielen. Ein wenig mehr Abwechslung an den Drums wäre doch schön. Selbst Sänger Joakim schien gelangweilt, jedoch weniger von seiner Musik, als vor den Fans, die mehrere Runden „Noch ein Bier!“ Rufe starteten. Nicht ungewöhnlich auf Sabaton-Konzerten, aber wohl für die Band inzwischen sehr langweilig. Leute, lasst euch mal was Neues einfallen. Was auf keinen Fall fehlen darf, ist natürlich die Referenz auf den Fußball, so meinte Joakim, dass man ja den Sabaton-eigenen Song „40 :1“ in Anlehnung an das Spiel zwischen Deutschland und Brasilien gut in „7:1“ umbenennen könnte. Auf dem After-Headliner-Slot gab es zum Abschluss des Abends noch Korpiklaani. Viele Metalheads hatten zu so später Stunde natürlich schon ein oder zwei Hopfentees intus, und konnten sich somit vollständig auf die Finnen einlassen, eine wirklich schöne Show geht allerdings anders. In ihrer Setlist fanden sich sehr wenig Klassiker, und das trotz 50 Minuten Spielzeit. Nach Korpiklaani verlagerte sich die Party eher auf den Zeltplatz. Der Eine grillt, der andere trinkt, und wieder Andere gehen wandern. Zum Beispiel rauf auf die Teufelsmauer. Wir beschließen, uns eher im Camp zu bespaßen, bis wir erschöpfterweise, und nach einem langen Tag schließlich ins Zelt krabbeln.

Freitag - Selbes Spiel wie am Vortag, pünktlich um 6:30 ist die Temperatur im Zelt nicht mehr erträglich, und wir beschließen aufzustehen und ein leckeres Frühstück zu uns zu nehmen. Um 13:15 geht’s an diesem Freitag los, und zwar mit Heretoir. Sehr melodisches Material, eine Kombination aus Shoegaze und Black Metal. Zwar liefern die Augsburger eine sehr geile Show ab, allerdings ist diese sehr kurz. Da Heretoir viele sehr lange Stücke haben, schaffen Sie in ihren 40 Minuten Spielzeit gerade einmal 4 Stück, und diese sind überwiegend neuere Sachen oder sogar vom kommenden Album. Der wohl geilste Newcomer des Festivals sind ganz klar Wolfheart. Nachdem Tuomas Saukkonen im Januar 2013 all seine Projekte (z.B. Before The Dawn, Black Sun Aeon) einstampfte, konzentriert er sich seitdem ausschließlich auf Wolfheart. Melo-Death ist eine Beschreibung die zwar fast, aber nicht ganz auf Wolfheart zutrifft. Teilweise sind auch leichte Black-Metal Elemente und auch langsame Doom-Passagen zu hören. Dass Tuomas Saukkonen dahinter steht, hört man aber in jedem Fall raus. Die Finnen spielten auf jeden Fall ihren ersten Gig überhaupt in Deutschland, und brachten nicht einmal ein Backdrop mit. Wir waren wohl auch nicht die einzigen, die sich auf den Gig freuten, vor der Bühne war trotz Mittagshitze einiges los. Nach einem kleinen Zwischenstopp bei den Bielefeldern von Xandria steht fest: Hier klingt alles wie Nightwish und Epica. Im Anschluss geht’s weiter mit Thrash-Urgestein Destruction. Seit über 30 Jahren gibt es die Band jetzt. Und, wie ich finde, hört man ihnen das gar nicht an. Sie rocken wie eh und je und zerlegen mit ihrem Thrash-Metal-Brett immer noch die Bühne. Viel Bühnenshow gibt’s zwar nicht, aber gesehen haben muss man sie trotzdem. Equilbrium haben eine neue Platte, Erdentempel. Hört man, merkt man, denn sie spielen Live fast ausschließlich Material aus dem neuen Silberling, mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. Unbesiegt und Met aus den Scheiben Turis Fratyr und Sagas. Da inzwischen nur noch Gitarrist René aus der Originalbesetzung übrig geblieben ist, sind Equilibrium für mich aber inzwischen sowieso eine komplett neue Band, und die kann man mögen, muss man aber nicht. Eins der krassesten Bretter des RockHarz 2014 sind mit Sicherheit Arch Enemy, die erstmals mit ihrer neuen Sängerin Alissa White-Gluz (Ex-The Agonist). Ihre Stimmlage im Screaming ist zwar bedeutend höher als die von Angela Gossow, wirkt aber auch im längen kräftiger. Und war Angela Gossow schon optisch sehr schick anzusehen, ist Alissa White-Gluz sowohl musikalisch als auch optisch eine klasse Aufwertung für Arch Enemy. Für viele scheinbar immer noch interessant, haben Children of Bodom für uns inzwischen vollständig den Reiz verloren. Jeder Song klingt irgendwie gleich, Weiterentwicklung? Fehlanzeige! Und das mag vielleicht im Thrash funktionieren, im Melo-Death ist es aber schlicht langweilig. Erster Afterheadliner am Freitag: Eisregen. Zuvor noch links liegen gelassen mutiere ich inzwischen immer mehr zum Fan. Und dabei beschränke ich mich nicht nur auf die alten, sondern auch auf viele ihrer neuen Werke. So finde ich, ist die aktuelle Platte Todestage eine echt schicke Sache geworden. Sogar Material aus ihren indizierten Alben können die Thüringer inzwischen wieder spielen, da die weniger krassen Stücke im Jahr 2012 auf einer Compilation Re-released wurden, die glücklicherweise nicht auf dem Index steht. Das war der Freitag, den wir im Anschluss noch mit ein paar Hopfentees im Camp begossen, während im Hintergrund 9MM eine Runde Assi Rock’n’Roll über den Platz prügelten.

Weniger Sonne, mehr Regen, so kann man wohl den Samstag beschreiben. Aber zumindest konnten wir mangels Sonneneinstrahlung ein wenig länger schlafen, und etwas ausgeschlafener in den letzten RockHarz-Tag starten, der allerdings aufgrund von Fjoergyn bereits um 11:20 starten sollte. Viel zu früh und viel zu kurz, sind die zwei Dinge, die einem zum Gig von Fjoergyn sofort auffallen. Sehr geile und epische Musik und auch zu früher Stunde schon sehr, sehr feiner Sound lockten uns und erstaunlich viele Leute zu früher Stunde bereits aus dem Zelt. Warum Fjoergyn jedoch vor dem Gewinner der Devils Wall Trophy spielen mussten, das werden wir wohl nie herausfinden. Schade drum, zu späterer Stunde wären wohl noch mehr Leute auf dem Infield gewesen. Später am Tag, Death Metal. Unleashed stehen auf dem Plan, und ihr Name ist Prädikat. In diesem Jahr feiern die Schweden ihr 25 Jähriges Bandjubiläum und entfesseln auch auf dem Infield des RockHarz 2014 eine gehörige Latte an perfekt gespieltem Death Metal. Wir wollen mehr davon. Direkt im Anschluss gibt’s eine nicht ganz so geile, aber trotzdem sehr geile Ladung Death/Thrash aus den Niederlanden. Legion of the Damned sind wie immer mit Spaß bei der Sache, überzeugen aber in ihrer Musik leider nicht ganz so sehr wie Unleashed. Wie könnten Sie auch? Unleashed sind eben Kult! Nach einer kurzen Pause geht’s weiter mit niemandem Geringeren als Knorkator. Die Berliner erklären uns wie böse wir doch alle sind, haben Spaß mit Fotografen und weisen die Menge an, Crowdsurfer nach hinten weiter zu geben. Viel Spaß, viel Gehüpfe, und ein wie immer nur eine Unterhose tragender Stumpen heizen das brechend volle Infield an. Man fragt sich wo die alle her kommen, wo doch jeder den man fragt Knorkator scheiße findet ;-) Es ist Headlinerzeit, In Extremo sind dran. Mitsingsongs ohne Ende, Mittelalterfeeling. Und das, obwohl InEx deutlich härter in die Gitarrensaiten greifen als beispielsweise Saltatio Mortis. Die Berliner reißen die Menge mit und heizen mit Pyro-Effekten das Infield auf. Es ist warm. Und das, obwohl es bis kurz vor ihrem Gig noch regnete, übrigens der einzige erwähnenswerte Regenschauer auf dem RockHarz 2014. Für mich persönlich der beste In Extremo Gig, den ich bisher erleben durfte, weiter so, und mehr davon! Die überraschendste Band des Festivals gab’s in diesem Jahr als Afterheadliner am Samstag, Feuerengel sind eine Rammstein-Coverband, die fast ans Original heran reichen. Pyro-Show, Flammenwerfer, Perfekter Rammstein-Sound. Aber eine Sache fehlt: Till Lindemann. Viele versuchen es, und sind häufig wirklich nicht schlecht, aber ohne Till Lindemann ist der Rammstein Sound einfach gar nichts. Sorry, aber ist so.

Das war’s, das RockHarz 2014, zumindest der musikalische Teil. Natürlich geht auch samstags die Party noch bis spät in die Nacht weiter, aber viele Leute (auch wir) müssen natürlich am Sonntag für die Abreise im Auto wieder fit (und natürlich nüchtern) sein. Darum: schnell rein ins Zelt und noch ein paar Stunden Schlaf abgreifen.

Allgemein kann man sagen, dass das RockHarz seit dem Vorjahr noch ein Stück besser geworden ist, und für 2014 alle Kritikpunkte des Vorjahrs ausgemerzt hat. Der oft suboptimale Sound auf dem Infield, Geschichte. Separate Boxentürme wurden auf den Eingangsbereich und auf den Bereich hinter den Bühnen gerichtet. So hat man überall auf dem Infield perfekten Klang, sogar in der Merch-Meile. Unfreundliche Securities suchte man in diesem Jahr ebenfalls vergeblich. Selbst bei auf Wegen geparkten Autos gingen die Ordner freundlich auf die Metalheads zu. Auch am Einlass zum Infield, nur freundliche Mitarbeiter. Der riesige Campground wurde in diesem Jahr zusätzlich in vier Planquadrate unterteilt, um die Orientierung zu erleichtern. Im nächsten Jahr sollten die dazugehörigen Markierungsfahnen noch etwas höher gehisst und im Dunkeln besser beleuchtet werten. Im Prinzip aber ein guter Ansatz. Die einzige nervige Sache war wie immer das große Verkehrsaufkommen beim Herunterfahren vom Gelände. Da aber leider nur ein einspuriger Feldweg von der Ausfahrt zur Straße führt, kann man dem Veranstalter hier keinen Vorwurf machen. Und mit knapp einer Stunde vom Zelt auf die Straße kann ich auch gerade noch leben.

Wir sind in jedem Fall auch 2015 wieder dabei, und streichen uns das RockHarz-Wochenende schon mal im Kalender an.